Andrea Appiani: Napoleon I. Bonaparte

Narzissmus, Macht und Illusion

In ihrem Buch „Die Fesseln der Liebe“ schreibt die Psychoanalytikerin Jessica Benjamin: „Niemand kann sich der Abhängigkeit von anderen oder dem Wunsch nach Anerkennung entziehen.“ Diplom-Psychologe Dr. Jürgen Wirth ergänzt in seinem Werk „Narzissmus und Macht“: „Die Anhäufung von noch so viel Macht kann das menschliche „Urbedürfnis“ nach Liebe und Anerkennung jedoch nicht ersetzen, sondern nur umformen und ausnutzen. Wer Macht hat, kann sich Liebe und Anerkennung erzwingen und erkaufen.“ Damit verschleiert er jedoch nur seine fundamentale Abhängigkeit.

Herrscher und Beherrschte

Die „Machtgelüste“ des Herrschers, so Wirth, finden auf Seiten der Beherrschten ihre Entsprechung - in Form von Unterwerfungs- und Schutzbedürfnissen. Sie lassen dieses eingespielte System von Macht und gegenseitigen Abhängigkeiten überhaupt erst möglich werden. Das System entwickelt seine Eigendynamik: „Die Übermacht der deformierenden Verhältnisse ist danach so groß, dass sich der einzelne Politiker den korrumpierenden Einflüssen der Macht nicht entziehen kann. (…) Macht übt deshalb gerade auf solche Personen eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus, die an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leiden. Ungezügelte Selbstbezogenheit, Sieger-Mentalität, Karriere-Besessenheit und Größenfantasien sind Eigenschaften, die der narzisstisch gestörten Persönlichkeit den Weg in die Schaltzentralen der Macht ebnen.“

Macht und Scheitern

Das führt fast zwingend dazu, dass Mächtige sich nicht mit kompetenten Menschen umgeben. Mit guten Beratern, die angemessene Lösungen für die anstehenden Problemen suchen. Politiker umgeben sich vielmehr mit „Ja-Sagern, Bewunderern und gewitzten Manipulatoren“, die sie in ihrem Selbstbild bestätigen. Die aber gleichzeitig dafür sorgen, dass sie sich von der Realität immer mehr entfernen. Gestörte Führerpersönlichkeiten lenken gekonnt die „gegen sie gerichteten Aggressionen ihrer Untertanen auf außenstehende Feinde um“. Sie sind geblendet von den eigenen Größen und Allmachtsphantasien. Sie verlieren den Bezug zur gesellschaftlichen Realität und müssen letztlich scheitern.

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