Alfred Adler

Minderwertigkeit und Kompensation nach Alfred Adler

Der Arzt und Begründer der Individualpsychologie Alfred Adler war ein Zeitgenosse und zeitweiliger Wegbegleiter Sigmund Freuds. Er geht im Gegensatz zu Freud davon aus, dass dem menschlichen Verhalten nicht nur eine kausale Begründung zugrunde liegt, sondern auch eine finale.

Kausal bedeutet in diesem Zusammenhang: Die Ursache liegt in der Vergangenheit und hat Wirkung in die Gegenwart. Final: Das Handeln ist auf ein bestimmtes Ziel, einen bestimmten Zweck gerichtet und soll etwas bewirken. Man muss also Zweck und Ziel des Verhalten erforschen, wenn man es verstehen möchte.

Adler möchte jedoch den Menschen nicht in seine Einzelteile zerlegen. Er versucht, das Individuum in seiner Ganzheitlichkeit zu sehen. Als soziales Wesen, das in einen gesellschaftlichen Kontext eingebunden ist.

Minderwertigkeitsgefühle in der Kindheit prägen

Kinder beginnen früh, sich mit den Menschen in ihrer Umgebung zu vergleichen. Alfred Adler ist überzeugt davon, dass sie die „objektive Minderwertigkeit“ gegenüber anderen deutlich spüren. Er glaubt auch, dass beispielsweise körperliche Schwächen zu Insuffizienz-Gefühlen führen können. Solche psychischen Grundkonstanten treiben den Menschen ein Leben lang an. Er hat das Bedürfnis, die empfundene Minderwertigkeit durch besondere Leistung zu kompensieren.

Kompensations-Strategien im Kapitalismus

Es gibt nach Adler einen guten Weg zur Kompensation der eigenen Minderwertigkeit: Die Entwicklung eines Gemeinschaftsgefühls. Das empfundene Defizit kann durch die Kooperation mit anderen und die gemeinsame Bewältigung der Lebensaufgaben ausgeglichen werden. Doch Adler sieht auch, dass die vorherrschenden sozialen Strukturen und der Geist des Kapitalismus das Konkurrenz-Denken fördert. Er fürchtet, dass dieses Denken schon Kinder in die Irre führt. Sie bewerten die Realität nach falschen Maßstäben. Sie lernen durch das Vorbild der Mächtigen, Reichen und Wichtigen, dass Kompensation möglich ist. Doch die Mittel sind fatal: Ichbezogenes Streben und ein Verhalten, das sich rücksichtslos Anerkennung und Geltung verschafft, Überlegenheit über andere anstrebt und Macht auf sie ausübt. Adler hält dieses Streben für eine verfehlte Antwort auf die eigene Minderwertigkeit. Es ist jedoch der Motor für die allermeisten menschlichen Verhaltensweisen.

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