Bewusstseinsbildung und Sprache
Sprache bildet Bewusstsein. Im vorsprachlichen Bereich besitzt ein Kind noch keine Vorstellung von dem Begriff „Respekt“. Es empfindet aber Freude, Genuss, Schmerz und Leid. Die Sprache formt nach und nach das Denken und die Wirklichkeit. Erst wenn Kinder die Sprache beherrschen, können sie auch konkret Einfluss auf die Welt nehmen. Umgekehrt wird die Welt da draußen durch Sprache im Kopf präsent. Der Begriff „Tisch“ wird im Gehirn mit Eigenschaften wie Farbe, Größe, Material etc. verknüpft, aber auch mit Emotionen, Erfahrungen und Erinnerungen. Dem gemeinsamen Essen mit der Familie zum Beispiel.
Auf diese Weise bekommt das Kind eine Vorstellung von der Welt. Diese Vorstellung wird mit zunehmender Erfahrung immer dichter. Die Erinnerung wird mit Emotionen angereichert. Wenn dann bestimmte Worte nur erwähnt werden, erzeugen sie schon Gefühle: Freude, Hoffnung, Vertrauen, Zuversicht aber auch Hoffnungslosigkeit, Angst, Traurigkeit etc. Worte können Mut machen, trösten oder lähmen, Stress verursachen oder beruhigen:
Ein Beispiel, an dem man selbst erfahren kann, wie eng Sprache und Emotionen miteinander verknüpft sind:
Lesen Sie folgende Worte und spüren Sie Ihren Gefühlen nach:
Angst, Sorgen, Krankheit, Schuld, Schmerz…
Achten Sie jetzt darauf, wie sich folgende Begriffe anfühlen:
Freude, Liebe, Genuss, Freundschaft, Sonnenschein…
Sprache erzeugt Bilder
Werbestrategen, aber auch Populisten nutzen genau dieses Phänomen. Sie prägen bestimmte Begriffe und erzeugen damit Bilder in unseren Köpfen:
Nehmen wir einfach den Begriff „Asyltourismus“. Schon ist es passiert: In unseren Köpfen entstehen Bilder, Erinnerungen und Emotionen. Dieser Prozess nennt man „Framing“.
Framing bedeutet einfach gesagt, dass wir eine Botschaft abhängig von der jeweiligen Formulierung unterschiedlich verarbeiten, obwohl der Inhalt der gleiche ist. Wenn ich sage „Zuwanderung“ passieren völlig andere Dinge im Kopf als wenn ich sage „Asyltourismus“. Die Formulierung beeinflusst unsere Gefühle und unser Verhalten – ganz egal, ob wir wollen oder nicht. Sie gibt der Botschaft einen „Rahmen“, aus dem wir nicht ohne weiteres aussteigen können.
Noch ein Beispiel:
Rechtspopulistische Parteien stellen Ausländer auf Wahlkampfplakaten gerne als Kriminelle dar. Das verstärkt natürlich negative Vorurteile in der Gesellschaft. Das gilt in gleicher Weise, wenn in Medienberichten über Gewaltverbrechen die Herkunft oder Hautfarbe der Täter explizit genannt wird. Deswegen geschieht dies in der Regel bei seriösen Medien wirklich nur dann, wenn es wirklich sachdienlich ist und beispielsweise zum Auffinden des Täters beiträgt.
Sprache ist nicht neutral
Sprache ist nicht neutral, Menschen sind keine rationalen Wesen. Wir besetzen alles mit Emotionen - jedes Ding, jedes Wesen ob Mensch oder Tier, jede Information.
Deswegen ist es so wichtig, im Rahmen der Schulbildung Medienkompetenz zu vermitteln. Kinder und Jugendliche sind heute sehr frühzeitig, oft schon im Vorschulalter, im Internet unterwegs. Sie müssen die Fähigkeit erwerben, Manipulation durch Werbebotschaften, durch politisches Framing zu erkennen. Sie sollten lernen, solche Informationen entsprechend einzuordnen und eben auch nicht weiterzuverbreiten.
Sie sollten ein Bewusstsein für die Macht der Sprache entwickeln. Damit sie selbst einschätzen lernen, was sie mit bestimmten Botschaften bewirken.