Die guten alten Dinge...
Warum lieben wir die guten alten Dinge? Den Duft von Nivea Creme zum Beispiel. Erinnern sie uns an Menschen, die danach geduftet haben? Menschen, die wir mochten. Oder eben nicht. Wie Kölnisch Wasser. Starke Emotionen verbinden wir auch mit dem Essen. Mit bestimmten Lieblingsspeisen und den vielen kleinen Gewohnheiten des Alltags. Vielleicht haben Sie auch beim Essen immer die leckersten Happen bis ganz zum Schluss aufgehoben? Und sich das nur deswegen abgewöhnt, weil Ihre Schwester sich einen Spaß daraus machte, Ihnen die Leckereien vom Teller zu klauen, bevor Sie diese genussvoll verspeisen konnten?
Der Geschmack der Kindheit
Und dann all die anderen lieb gewonnenen, kleinen Erinnerungen: Das selbst eingekochte Apfelgelee von Oma zum Beispiel. Eine klassische Trostspeise. Wie Kakao, Pfannkuchen mit Zimtzucker und Griesnockerlsuppe. Trostspeisen werden für gewöhnlich bei Masern, nach dem Sturz von der Schaukel und beim ersten Liebeskummer verabreicht. Ihre trostspendende Wirkung brennt sich lebenslänglich in die Gehirnwindungen ein und kann deswegen immer wieder erfolgreich aktiviert werden. Das funktioniert natürlich auch mit negativen Erfahrungen. Wenn Sie sich zum Beispiel als Kind einmal in den Finger getackert haben, werden Sie diesen Geräten für den Rest Ihres Lebens mit einem gewissen Respekt begegnen.
Die ollen Kamellen...
Viele unangenehme, aber auch viele schöne Erinnerungen werden eines Tages still und leise aussortiert. Oft ganz und gar achtlos entsorgt, aber manchmal auch mit einer heimlichen kleinen Träne verabschiedet. Wie die zerfledderten BRAVO-Hefte und die peinlichen Klamotten, die man damals getragen hat. Auch Lava-Lampe und Schallplatten wanderten irgendwann in die Tonne. Der erste Teddybär und all das andere wunderbare Spielzeug aus glücklichen Kindertagen. Ganz ohne jeden digitalen Schnickschnack. Barbie-Puppe und Märklin-Eisenbahn. Und dann, irgendwann ganz plötzlich, kommen sie wieder, die ollen Kamellen. Die guten, alten Dinge, die uns einmal so lieb und wert waren. Mit einem Mal sind sie wieder mega-angesagt und ultra-stylisch. Als Vintage und Repro. Einfach nur, weil sie so schön altmodisch und Retro sind.
Die Schallplatte ist tot – es lebe das Vinyl!
Die Elektrotechnische Gesellschaft staunte nicht schlecht, als Emil Berliner 1889 den Prototyp seines Grammophons vorführte. Von da an war der Siegeszug des Plattenspielers nicht mehr zu bremsen. Die Schallplatte eroberte die Welt. An der sensationell simplen Technologie hat sich bis heute kaum etwas geändert, nur das Material der Tonträger wandelte sich in den 1930ern von Schellack in Vinyl. 50 Jahre später begann der Niedergang der Schallplatten-Industrie. Die schwarze Scheibe wurde von der Audio-CD abgelöst. Ihr Schicksal schien besiegelt. Aber gerade die kleinen „Fehler“ – die Tonverfälschungen und die harmonischen Verzerrungen - lassen das Herz der Vinyl-Freunde höher schlagen. Die Reinheit der digitalen Sounds ist vielen zu steril. Und so kehrt auch der gute, alte analoge Tonträger zurück in die Regale: Nach massiven Einbrüchen auf dem Markt werden heute in Europa wieder jährlich rund 15.000.000 Schallplatten gefertigt. Mit steigender Tendenz.
E-Reader versus Buch
Ob der E-Reader das gute alte Buch tatsächlich einmal ganz ablösen wird? Wohl kaum. Lesen ist ein sinnliches Erlebnis. Ein Papierbuch liegt schwer in unserer Hand. Es raschelt leise beim Blättern und hat seinen ureigenen Duft. Und gerade wenn es besonders angestaubt daher kommt, vermuten wir darin außergewöhnliche Schätze. Die Bücher an der Wand sind die Geschichte meines Lebens. Sicher. So ein E-Book ist praktisch, aber eben nur funktional. Es erfüllt seinen Zweck unter ganz bestimmten Umständen. Doch sein Nutzen steht auf einem anderen Blatt.
Zeitlos nachhaltig statt seelenlos flüchtig
Der Nutzen eines Produkts ist meistens ziemlich relativ. Viel wichtiger ist doch, dass es einem Bedürfnis entspricht. Und das tun die guten alten Dinge, denn sie haben eine Seele. Sie sind eben nicht nur funktional. Sie sind auch originell und sie haben ihren ganz individuellen Charakter. Sie sprechen unsere Gefühle an. Das macht sie wertvoll – sie bereichern unser Leben. Wir kaufen sie nicht einfach wie ein x-beliebiges Konsum-Produkt. Beseelte Dinge sind Seelentröster im namenlosen Mainstream - wir eignen sie uns an. Und wir prägen sie mit unseren ganz persönlichen Spuren – mit kleinen Eselsohren und Kratzern im Vinyl. Die guten alten Dinge vermitteln uns Geborgenheit. Sie sind ein Ruhepol in einer schnelllebigen Welt. Und sie sind nachhaltig. Bleibende Werte. Die guten alten Dinge sind genau wie wir selbst – sie werden nicht älter, sondern besser!