Die narzisstische Gesellschaft - leben nur Egoisten gut?
Egoismus ist gesund – bis zu einem gewissen Grade. Ein gesundes Gemeinwesen braucht beides: Egoismus und Altruismus. Auch hier macht die Dosis das Gift. Aber mitunter drängt sich der Eindruck auf, dass wir nur noch von Egomanen umgeben sind.
Viele Menschen in unserer Gesellschaft haben offenbar nur noch eines im Auge: ihr eigenes Wohlergehen. Sie raffen und horten ohne Rücksicht auf andere. Sie gehen über Leichen und streben mit allen Mitteln nach Erfolg und Reichtum.
Sie sind berühmt und mächtig und das macht sie zu Vorbildern für andere – zum Beispiel für junge, naive und wenig selbstbewusste Menschen. Doch ist Erfolg auch gleichbedeutend mit Glück und Zufriedenheit? Und sollte man sich deswegen lieber nur noch um das eigene Wohl kümmern und nicht mehr um das der anderen?
Wer gibt, dem wird gegeben
Psychologische Studien zeigen: Beides ist wichtig. Weil wahres Glück und echte Zufriedenheit immer auch mit Selbstlosigkeit und Fürsorge für andere einhergehen.
Wer gut für sich selbst sorgt, dem geht es gut. Wer gut für andere sorgt, dem geht es noch viel besser. Selbstlosigkeit ist sogar lebensverlängernd, denn wer hilfsbereit ist und anderen viel gibt, leidet seltener an Depressionen und ist auch ansonsten gesünder als Egomanen.
Wir sind nun eimal soziale Wesen. Unser Gehirn ist darauf programmiert, hilfsbereit und großzügig zu sein. Im Laufe der Evolution gediehen Gemeinwesen, die gut füreinander sorgten. Gesellschaften, in denen dagegen allzu viele nur nach dem eigenen Vorteil trachteten und andere für ihre Zwecke missbrauchten, starben aus.
Egoismus ist angeboren
Empathie und Altruismus sind unsere Mitgift für ein gutes soziales Miteinander. Doch auch der Egoismus ist uns in die Wiege gelegt.
Selbstlosigkeit und das Bedürfnis, nach dem eigenen Vorteil zu trachten, konkurrieren ständig miteinander und es ist immer auch eine Frage der Umstände, welche Eigenschaft stärker zum Vorschein kommt. Das Umfeld, in dem wir leben, kann den Hang zum einen oder zum anderen fördern oder hemmen.
Ich oder Wir?
Wird also wirklich nur noch der Egoismus kultiviert? Ein Blick auf die Geschichte zeigt: Diese Klage wird schon seit Menschengedenken geführt. Aristoteles suchte bereits nach einem Ausgleich zwischen Egoismus und Altruismus und fand ihn – in der Gerechtigkeit.
Auch Schopenhauer ereiferte sich über den kolossalen Egoismus der Menschheit und bis heute unterstellen sich verschiedenste gesellschaftliche Gruppierungen regelmäßig gegenseitig grenzenlosen Egoismus.
Tatsächlich aber erleben wir beides: Egoismus und Altruismus. Mehr Menschen denn je zuvor sind ehrenamtlich tätig und engagieren sich für eine bessere Welt. Sie sorgen sich nicht nur um andere, zum Beispiel in Krisenregionen, sondern kümmern sich auch aktiv darum, dass die Armut auf der Welt eingedämmt wird und immer mehr Menschen ein wirklich menschenwürdiges Dasein führen können.