Behinderung: Der Umgang mit dem Anderssein im Lauf der Geschichte
Behinderung wurde und wird als mehr oder weniger gravierende Abweichung von der Norm verstanden. Der Umgang mit dem Anderssein allerdings scheint weniger mit der Entwicklungsstufe einer Zivilisation in Wechselwirkung zu stehen, als vielmehr mit deren ethischen Einstellungen und den darauf begründeten Regelwerken. Auch die Lebensweise spielte dabei immer eine wichtige Rolle. Es gibt heute noch nomadische Stämme, die Angehörige zurücklassen, die der Reise nicht gewachsen sind. Gleichzeitig existieren sesshafte Naturvölker, die Menschen mit Behinderungen liebevoll integrieren
Steinzeit und Antike: Fürsorge und Aussetzung
Schon bei den Neandertalern finden sich eindeutige Hinweise auf eine relativ gute Fürsorge für Menschen mit Krankheiten oder Behinderungen. Im antiken Griechenland dagegen war die Aussetzung von Kindern mit Behinderungen selbstverständlich. Doch auch dort gab es Ausnahmen:
Der blinde Teiresias des Homer genoss – ungeachtet der Tatsache, dass er wahrscheinlich nie existierte - so hohes Ansehen, dass die Verspottung Blinder gesetzlich bestraft wurde. Blinde, so glaubte man, könnten mit den Göttern in Verbindung zu treten und die Zukunft voraus sagen.
Auszeichung und Strafe Gottes
Das Motiv der besonderen Auszeichnung durch die Götter ist dabei quer durch alle Religionen und Kulturen ebenso häufig anzutreffen wie das Stigma der Strafe Gottes. Ein Tabu, das für den Gezeichneten Integration oder Ausgrenzung und häufig sogar den sicheren Tod bedeutete. Ein größeres Tabu, so scheint es mitunter, als der Tod selbst.
Es hat allerdings zu allen Zeiten Menschen gegeben, die sich nicht mit solchen ethischen Betrachtungen oder der Ehrfurcht vor dem Tabu aufhielten. Schon im alten Ägypten fand man Gefallen daran, Menschen aufgrund körperlicher Besonderheiten als Hofnarren vorzuführen. Die Erfindung regelrechter „Freakshows“ scheint jedoch das zweifelhafte Verdienst der Römer zur Kaiserzeit gewesen zu sein: Als „Spielereien der Natur“ wurden sie wilden Tieren gleich bei Festen oder im Zirkus zur Schau gestellt. Es entwickelte sich regelrecht ein eigenes Marktsegment - das „forum morionum“, der „Markt der Narren“ - auf dem Menschen aus aller Welt teuer gehandelt wurden.
In der Renaissance und im Barock lebte – allem Humanismus zum Trotze – die Belustigung auf Kosten entwürdigter und entrechteter Menschen wieder auf: Könige hielten mit Vorliebe kleinwüchsige Menschen als Hofnarren und zum Amüsement der Hofgesellschaft. So soll Katharina von Medici neun Hofzwerge besessen haben. Man sagt ihr auch nach, sie habe eigens Zwergenhochzeiten organisiert, um deren Anzahl noch zu vermehren.
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