Freud: Das Ich und das Unbewusste
Die erste große Kränkung der Menschheit war nach Sigmund Freud die kopernikanische Wende. Bis dahin glaubte man, die Erde sei der Mittelpunkt des Universums. Die zweite fügte Darwin der Menschheit zu: Er sagt, der Mensch stamme vom Tier ab und widerlegt damit das Dogma der göttlichen Schöpfung.
Die dritte große Kränkung, so Freud, habe er selbst der Menschheit zugefügt. Indem er behauptete, das ICH sei nicht „Herr im eigenen Haus“.
Im Rahmen seiner Psychoanalyse entwickelte er die Theorie, dass das bewusste Denken nur einen kleinen Teil der Informationsverarbeitung im Gehirn ausmache. Freud verlieh damit erstmals in der Geschichte dem Unbewussten jene große Bedeutung, die ihm - auch nach den aktuellen Erkenntnissen der Neurowissenschaften - bis heute zusteht.
Unser Gehirn arbeitet aus Gründen der Effizienz sehr rational. Deswegen entsorgt es viele Informationen auf eine Art externe Festplatte. Weil sie für unser Überleben nicht unmittelbar notwendig sind und unser System überlasten würden. Aber auch deswegen, weil bestimmte Informationen unsere Entwicklung und unser Überleben gefährden könnten. Dazu gehören beispielsweise traumatische Erlebnisse in der frühen Kindheit.
Trauma und Verdrängung
Ein solches Trauma kann durchaus lebensbedrohlich sein. Ein Kind, dessen Mutter beispielsweise bei der Geburt stirbt, hat nicht die Möglichkeit, diesen Schicksalsschlag bewusst zu verarbeiten. Das Ereignis muss verdrängt werden und wird ins Unbewusste abgeschoben. Später kommen peinliche Gefühle hinzu und alles, was große Angst erregt, Triebe und Instinkte, Wünsche, die wir uns aus Scham verbieten und alle anderen (noch) nicht lösbaren inneren Konflikte. Diese Inhalte sind nicht verloren. Sie wirken sich auf unser Leben aus, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Sie beeinflussen unsere Emotionen und unser Verhalten.
ICH und ES
Herrscher über unser Sein und Handeln aus dem Unbewussten ist nach Sigmund Freud das „ES“. Das ES ist eine mächtige Instanz und eine der tragenden Säulen unserer Persönlichkeit. Freud prägt in seiner Psychoanalyse die Formel:
„Wo ES war, soll ICH werden.“
Je mehr sich ein Mensch bewusst wird, welche Energien aus dem ES auf ihn einwirken, desto größer wird sein persönlicher Freiheitsgrad. Er kann endlich er selbst sein.