Das Ehekarussell - ein Brunnen gestaltet nach einem Gedicht von Hans Sachs
Seit 1984 steht das Ehekarussell an seinem Platz vor dem Weißen Turm am Ludwigsplatz. Gestaltet und erbaut wurde es vom Bildhauer Jürgen Weber aus Marmor und Bronze. Vom ersten Tag an provozierte der Brunnen heftige Diskussionen:
Die schamlose Nacktheit strapazierte das Nervenkostüm empörter Sittenwächter. Zudem waren die Nürnberger erbost über das ausufernde Budget für das Ehekarussell. Heute gilt es als eines der bedeutendsten neuzeitlichen Kunstwerke der Stadt und ist außerdem der größte europäische Figurenbrunnen des 20. Jahrhunderts.
Süße und grausame Szenen einer Ehe
Das Ehekarussell zeigt, wie der Name schon sagt, das bittersüße Auf und Ab des Ehelebens. Nach einem Gedicht, das Meistersinger Hans Sachs (1494-1576) seiner Frau gewidmet hat. Aus eigener freud- und leidvoller Erfahrung wie es scheint, denn es beschreibt ebenso drastisch wie die Skulpturen auf dem Ehekarussel die Szenen einer Ehe - von anfänglicher süßer Leidenschaft über den bitteren Rosenkrieg bis hin zum Tod.
Das Kunstwerk ist einem Karussell auf dem Jahrmarkt nachempfunden, das sich mit seinen sechs Wagen im Kreise dreht: Drei zeugen von den süßen Seiten des Ehelebens, drei von den bitteren. Männlichkeit und Weiblichkeit stehen sich gegenüber - in Form eines kraftvollen Ziegenbocks und einer Nymphe, die aus dem Wasser steigt. Am Anfang liegt der Mann vor der Frau auf den Knien. Sie steht über ihn erhaben in einer Muschel wie eine Meerschaumgeborene, eine römische Venus. Er preist ihre Schönheit, mit der er sich gerne schmückt:
„Mein Frau ist meine Zier und Lust”.
Die Frau wird zur Mutter, widmet sich im Pelikanwagen aufopfernd ihren Kindern. Der Gatte mimt derweilen immer noch den Filou. Er weilt mit dem Kopf in den Sternen, anstatt sich den familiären Pflichten zu widmen. Der Pelikan als Symbol der Mutter, die ihre Kinder füttert, reißt sich selbst das Herz aus dem Leib. Im nächsten Wagen ist der Mann nackt und bis auf die Knochen abgemagert. Er beklagt sein Schicksal. Seine Frau dagegen verschlingt üppige Tortenstücke und hat enorm an Leibesfülle zugelegt.
Das Ehe-Karussell dreht sich weiter
Man sieht die Ehegatten nackt als Liebende auf einem Bett aus schnäbelnden Schwänen. Wieder eine Szene, die wie der gesamte Brunnen an Deutlichkeit kaum zu wünschen übrig lässt. Doch die Turteltäubchen sind alt geworden und im darauf folgenden Wagen aus Höllenfeuer auf Gedeih und Verderb in Ketten aneinander gefesselt. Und auch als beinahe schon verweste Gerippe führen sie auf ihrem Höllendrachen den Rosenkrieg auf ewig fort.
Dichter und Meistersinger Hans Sachs persönlich tanzt auf einer Säule über dem Ehefelsen, auf dem die sterblichen Überresten der Eheleute aufgebahrt liegen: Ein verendeter Bock und ein menschlicher Schädel als Symbol für die Frau. Die Inschrift auf dem Felsen lautet:
„Bis der Tod euch scheidet".
Zum Gedicht "Hans Sachs: Das bittersüße ehlich' Leben (Volltext)"