Brandner Kaspar

Der Tod ist halb so schlimm - wenn nur das Sterben nicht wäre...

Die meisten Menschen haben weniger Angst vor dem Tod selbst, als vor dem Sterben. Aber warum glauben so viele, dass das Sterben etwas Schlimmes sei? Liegt es möglicherweise daran, dass wir so wenig über den Vorgang des Sterbens wissen?

Was wissen wir über das Sterben?

Wir wissen sehr genau, wie neues Leben entsteht. Der Prozess der Geburt ist gut erforscht, doch über den Tod ist bis heute erstaunlich wenig bekannt. Was passiert mit uns beim Sterben? Wann beginnt das Sterben überhaupt und wann ist unser Leben wirklich beendet? Alle Religionen haben mehr oder weniger konkrete Vorstellungen vom Übergang in eine andere Welt. Die allermeisten unterscheiden zwischen dem physischen Dasein auf Erden und einer Wesenheit, die im Jenseits weiterlebt. Der Körper beendet seine Existenz, die Seele dagegen ist.

Wann tritt der Tod ein?

In unserer materiellen Welt allerdings sind sich Theologen, Wissenschaftler und Mediziner noch nicht einmal darüber einig, zu welchem Zeitpunkt das physische Leben denn nun beendet ist. Ist es der Zeitpunkt, zu dem die Organe versagen? Der Augenblick, in dem Herz und Hirn ihre messbaren Funktionen beenden? Nur allzu oft sind Menschen wieder zurückgeholt worden, obwohl die Apparate kein Lebenszeichen mehr anzeigten. Obwohl der Hirntod bereits eingetreten war und das Herz aufgehört hatte, zu schlagen.

Wann ist der Prozess des Sterbens vollendet? Wann genau tritt der Tod ein? Wir wissen es schlichtweg nicht. Auch deswegen war die Angst zu allen Zeiten groß, lebendig begraben zu werden. Heute hat sich noch eine weitere Befürchtung dazu gesellt: Was, wenn bei freiwilligen Spendern die Organentnahme vollzogen wird, obwohl der Tod noch gar nicht eingetreten ist?

Im Angesicht des Todes

Was den meisten Menschen Sorge bereitet ist wohl weniger der physische Tod, als vielmehr der bewusste Vorgang des Sterbens. Was werden wir in diesen Momenten empfinden? Sind es denn nur Momente? Oder gar Tage und Wochen? Werden wir es spüren, wenn es soweit ist? Was wird das Sterben mit uns machen? Werden wir leiden und traurig sein? Uns mutterseelenallein und verlassen fühlen? Oder werden wir bewusst in Einsamkeit gehen wollen? Werden wir uns geborgen fühlen? Oder wütend? Wird es uns dereinst schwerfallen, loszulassen? Werden wir uns dagegen wehren? Vielleicht sogar mit allen Mitteln am Leben festhalten und wie der Brandner Kaspar einen Pakt mit dem Tod aushandeln, wenn wir nur die Chance dazu hätten?

Ausweg selbstbestimmtes Sterben?

Einige Menschen versuchen, ihren eigenen Tod zu planen. Sie denken darüber nach, sich mithilfe eines Cocktails an Medikamenten ins Jenseits zu befördern. Um das in ihren Augen Schlimmste nicht erleiden zu müssen: Verdammt sein zum Dahindämmern in Hilflosigkeit. Eine Last für die Lieben. Schmerzen und Siechtum. Ein langwieriges und scheinbar endloses Sterben. Doch professionelle Sterbebegleiter sagen: Nicht einmal diese Menschen wollen tatsächlich durch eigene (oder fremde) Hand sterben. Sie wollen nur nicht leiden. Wenn es gelingt, ihnen die Angst vor dem Sterben zu nehmen, verzichten sie in aller Regel auf Sterbehilfe.

Sich der Angst stellen – das Schicksal annehmen

Deswegen ist es so wichtig, sich mit den eigenen Ängsten vor dem Sterben schon im Leben auseinanderzusetzen und sich zu fragen: Vor was genau habe ich Angst? Sterben gehört zum Menschsein. Es ist ein Teil des Lebens. Nur wenn wir das Sterben wieder als Schicksal annehmen lernen, können wir die Angst überwinden. Und zum Schicksal gehört eben unabänderlich auch die Tatsache, dass es nicht in allen Aspekten vorhersehbar ist.