Kirchweihbrauchtum in Nordbayern
Sie Kirchweih findet für gewöhnlich im Oktober statt. Ursprünglich wurde der Termin von der Obrigkeit festgesetzt. Nicht so in Franken und der Oberpfalz. Dort ticken die Uhren ohnehin ein wenig anders. Die Nordbayern feiern die Feste einfach wie sie fallen. Die Termine verteilen sich auf einen Zeitraum zwischen April bis Oktober, schon damit jedes Dorf bei den anderen mitfeiern kann. Einigkeit besteht lediglich bei den Traditionen und Gebräuchen, die auf jeden Fall zu einer anständigen Kirwa (Oberpfalz) oder Kärwa (Franken) gehören.
Brust oder Keule?
Bei der Kirchweih gibt es natürlich die obligatorische Gans. Die Kirchweih-Gans ist für die Bayern ungefähr das, was die Peking-Ente für die Chinesen ist. Mit einem großen Unterschied: Die Peking-Ente gibt es das ganze Jahr über beim Chinesen um die Ecke. Dagegen ist die Kirchweih-Gans viel exotischer und exklusiver. Man bekommt sie nämlich nur auf dem Dorf und nur zur Kirchweih. Das Lokal sollte mit Bedacht ausgewählt werden. Mundpropaganda ist dabei von immenser Bedeutung. Schließlich will man ja wissen, woher die Gans kommt, wie sie heißt und was sie gefressen hat. Und das wichtigste: Beherrscht die Köchin die hohe Kunst der Zubereitung roher Kartoffelknödeln? Denn zur Gans gibt es selbstverständlich die traditionellen Beilagen: Rotkraut und Knödeln. Andernorts auch als Blaukraut, Kniela und Spotzn bezeichnet.
Auswärtige, Touristen und sonstige Kahlfresser fallen am Kirchweihtag für gewöhnlich mit lautem Gejohle im Dorfwirtshaus ein. Bekleidet mit Lederhosen, Dirndl und Trachtenhut. Das kennen die so aus dem Komödienstadel und anderen einschlägigen Fernsehsendungen. Für die Einheimischen ist das dann ungefähr so, wie wenn die Gäste beim Betreten des China-Restaurants ungefragt eine Kung-Fu-Übung vorführen. Der Oberpfälzer schaut dann peinlich berührt in den tiefen Abgrund seines Sejerls hinein. Der Franke wahlweise ins Seidla oder in seinen Schoppen. Und dann stellt sich dem Kirchweih-Neuling eine wirklich existenzielle Frage: Brust oder Keule? Es macht auch nichts, wenn Sie nicht fließend Bayerisch – oder Fränkisch - beherrschen. Die Dorfwirtin wird Ihnen die Alternativen sicher gerne anschaulich am eigenen Leib demonstrieren.
Der Kiachl
Den krönenden Abschluss einer traditionellen Kirchweispeisung bildet der Kiachl. Wenn Sie die Dorfwirtin nicht kränken wollen, sollten Sie den Kiachl auf gar keinen Fall auf hochdeutsch bestellen. Der Kiachl ist nämlich ein Stück bayerischer – und sogar fränkischer - Hochkultur. Er besteht aus Hefeteig und wird in Butterschmalz heraus gebacken. Die leichte Sommerküche eben, ganz kalorienarm. Der Original-Kirchweih-Kiachl stellt die Kochkunst der Dorfwirtin hart auf die Probe. Er muss nämlich kreisrund geformt und dann über der Kniescheibe ausgezogen werden, bevor er im zischend heißen Resi-Schmelz vor sich hin schmurgelt, bis er eine goldgelbe Farbe angenommen hat. Vor dem Anrichten wird noch ein Hauch Puderzucker darüber gestäubt.
Der Kirchweih-Baum und das Schlachten der Sau
Am Sonntag tanzen die Kirchweih-Paare zu volkstümlichen Weisen auf: Sie im Dirndl, er in der Krachledernen. Das ist gewissermaßen ein althergebrachtes Paarungsritual, das sich auch heute noch bewährt. So eine Art Speed-Dating unter dem Kirchweihbaum. Denn der steht natürlich für die Fruchtbarkeit, wie so vieles aus der volkstümlichen Tradition. Er sollte also ziemlich lang sein, auf jeden Fall aber länger, als der vom Nachbardorf. In der Nacht wird er streng bewacht, damit ihn die Nachbarn nicht klammheimlich davon tragen.
Die Frankenboum binden sich beim Auftanzen ein rotes Tuch um den Hals. Wenn das Date erfolgreich war, trägt es nachher das Madla. Aufgespielt wird von den besten Volksmusikanten, die das Dorf vorzuweisen hat. Das einzig beruhigende daran: Die Truppe wird von Maß zu Maß besser und wenn sie wieder schlechter werden, ist sowieso keiner der Anwesenden mehr nüchtern. Der Beste, also der Kirwabou, der nachweislich am meisten von den typischen einheimischen Erfrischungsgetränken konsumiert hat, wird anschließend als Kirwasau ausgerufen.Am Montag nach dem Fest wird die Sau mit viel Gaudi von der Dorfbevölkerung geschlachtet und die Dorffrauen bringen die übrigen Kiachl aufgewärmt in einem Körbchen mit rotweißem Karomusterbezug zum Doktor, dem Bürgermeister und dem Dorfpfarrer.