Beichtstuhl-Geheimnisse - wie die Kirche Kinder zu Sündern erzog
Papst Franziskus hatte in jungen Jahren ein Erweckungserlebnis im Beichtstuhl. Später erzählte er, er habe damals gespürt, dass er Priester sein musste, und nicht mehr daran gezweifelt. Solche erhabenen Erlebnisse sind im Zusammenhang mit der Beichte wohl eher die Ausnahme. Viel häufiger kommt es vor, dass die Kinder von damals bis heute unangenehme, widersprüchliche und mitunter sogar traumatische Erinnerungen an ihre Beichtstuhl-Erfahrungen im Herzen tragen.
Angeleitet durch den Religionsunterricht plagte einen bereits Tage vor der Beichte das Gewissen. Nicht etwa, weil man besonders schlimme Dinge ausgefressen hatte, sondern weil einem nichts, aber auch rein gar nichts einfallen wollte, was man dem Beichtvater hätte mitteilen können. Also trug man die Litanei der Sünden nach einer naheliegenden Devise zusammen, die einem lange genug eingeflüstert worden war:
Irgendetwas hast du ganz sicher auf dem Kerbholz – bestimmt hast du deine Eltern geärgert? Warst ungehorsam oder neidisch auf etwas, das deine Geschwister bekamen, du aber nicht!
Beten als Strafe
Wenn man sich nur lange genug marterte, fielen einem meist auch ein paar kleine Sünden ein, die man beichten konnte. Denn das heilige Sakrament der Beichte abzulegen ohne einen Makel im Gepäck – das erschien unmöglich. In diesem Sinne jedenfalls hatten uns die frommen Nonnen an der Grundschule bereits zu kleinen Sündern im Geiste geformt.
Auf dem Büßerbänkchen in der Kirche wurden die Vaterunser und die Rosenkränze gedankenlos heruntergeleiert. Beten als Strafe. Da war ja in Wahrheit nichts, was man wirklich bereute. Kein Grund zur Zerknirschung. Aber auch das machte einem zu schaffen. War es verlogen, zu beichten, wo es nichts zu bekennen gab? Immerhin war es nach der Beichte einigermaßen tröstlich, wenn man die Absolution erhielt und die Missetaten getilgt waren. Im Gegensatz zu den bemitleidenswerten Protestanten. Die müssen ihre Sünden immerhin ein ganzes Leben lang mit sich herum tragen.
Die kleinen Teufel
Selbstliebe ist Hochmut. Kinder waren zur Demut geboren. Schlimmer: Kinder waren von Grund auf kleine Teufel. Von unschuldiger Reinheit ungefähr so weit entfernt wie der gefallene Erzengel Luzifer vom lieben Gott. Die Kirche lehrte Kinder nicht, ihre guten Seiten zu sehen. Wenigstens ein bisschen wertzuschätzen, dass sie sich täglich nach Kräften bemühten, gute Menschen zu sein. Nonnen und Priester schärften vielmehr unbarmherzig den Blick dieser für ihre Fehler. Selbst die, die nur leise durch die Gedanken gehuscht waren. Sie erzogen Kinder systematisch zu einem lieblosen, überkritischen Umgang mit sich selbst. Zu falscher Scham und Schuldgefühlen.
Sünde, Vergebung und Voyeurismus
Geheimnisse durfte es in dieser Welt nicht geben. Nicht vor Gott und dem Priester. Das Fleisch war schwach und jede Hinwendung zum anderen Geschlecht sowieso sündhaft. Auch dann, wenn sie nur in der Fantasie stattfand. Zuneigung und der Wunsch nach Nähe waren kein Anlass zur Freude, sondern ein Grund, sich zutiefst zu schämen und Buße zu tun. Wenn all das, was diese Kinder während der Pubertät bewegte, auch tatsächlich zur Beichte getragen wurde, müssen die Ohren des Beichtvaters mitunter förmlich geglüht haben!