Felix von Luschan Hautfarbentafel

Kultur ist mehr als eine Hautfarbe

Die Kultur, in der wir leben, formt uns. Wer in Deutschland lebt, wird über kurz oder lang zum Deutschen, in Amerika wird er zum Amerikaner und in Afrika zum Afrikaner. Kultur erzwingt Anpassung. Abweichungen von der Norm machen zum Außenseiter, erzeugen ungute Gefühle, ja sogar Schuldgefühle.

Tabu in den Köpfen

In jeder Kultur herrschen ungeschriebene Gesetze. Manche davon sind mit einem starken Tabu belegt wie Beschneidungsrituale oder die Blutrache. Der Sinn solcher Regeln darf nicht hinterfragt werden. Werden sie gar zu Natur- oder Gottesgesetzen erklärt, sind sie besonders prägend.

Alle Kulturen benützen solche Normen, weil sie die gewünschten Strukturen festigen. Je länger die Regeln Geltung besitzen, desto hartnäckiger halten sie sich in den Köpfen. Selbst dann, wenn sie längst abgeschafft wurden - die Apartheid zum Beispiel oder die Unterdrückung der Frau.

Angst lässt Kultur erstarren

Tief sitzende Urängste verfestigen überholte Normen in allen Kulturen besonders stark. Die Angst vor dem Fremden beispielsweise: Xenophobie ist Teil unserer biologischen Mitgift. Sie hat sich über Jahrtausende als Überlebensstrategie bewährt. Solche prägenden Erfahrungen einer Kultur kann man nur überschreiben, indem man aktiv durch gezielte Prozesse der Bewusstmachung entgegenwirkt. Einige Herrscher benützen solche Grundzüge der menschlichen Natur allerdings für ihre eigenen Zwecke. Sie projizieren die Kernprobleme der eigenen Kultur auf Außenstehende: Das Fremde wird zum Zerrbild nicht integrierter eigener Anteile.

Auch der ehemalige US-Präsident Barack Obama ist tief geprägt von der Kultur Amerikas. Er schreibt in seiner Biografie, er sei als junger Mensch geradezu besessen gewesen von der Idee, die Angst der Weißen vor den Schwarzen zu verstehen, „um diese Krankheit heilen zu lernen“. Er erkannte jedoch, dass er in der Angst der Anderen nur seine eigene Angst gesehen hat. Obama begriff, dass er zuerst lernen musste, sich selbst zu verstehen. Die Geschichte des US-amerikanischen Bürgerrechtlers Malcolm X, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte, den Rassismus anzuprangern, lehrte ihn, dass eine Überidentifikation mit der eigenen Kultur problematisch werden kann. Das brachte Obama schließlich zu der Einsicht:

Meine Identität mag mit meiner Hautfarbe beginnen, aber sie hört nicht dort auf, kann dort nicht aufhören.“