Der Narziss und das Heile-Welt-Syndrom
Der Narziss muss gefüttert werden. Er braucht seine Ich-Erweiterungen wie die Luft zum Atmen. Im Gegenzug sorgt er dafür, dass es seinem Umfeld gut geht. Schon, damit es ihm selbst gut geht. In diesem Sinne ist er durchaus zu überschwänglicher Fürsorge fähig. Umso mehr, je mehr die Sorge, die er anderen angedeihen lässt, auch seinem eigenen Wohlergehen dient. Selbst nach seinem Tode möchte er noch gut dastehen. Glücklicherweise geht der Trend dabei heute eher weg von Pyramiden und hin zu Hinterlassenschaften, die für die Hinterbliebenen von unmittelbarem, geldwertem Nutzen sind.
Der Narziss und sein Co-Narziss passen schon deswegen so wunderbar zusammen, weil sie sich (beinahe) perfekt ergänzen: der Narziss hungert nach Zuwendung, Anerkennung, Aufmerksamkeit, bedingungsloser Unterordnung und beständiger Bestätigung seines Selbstwerts durch die jeweils gegnerische Partei. Das alles natürlich möglichst harmonisch. Ansonsten fühlt er sich elend, klein und minderwertig. Und wenn der Narziss leidet, ist garantiert der Co daran Schuld.
Auch der Co-Narziss hat es gerne harmonisch. Er hasst Konflikte. Deswegen ordnet er sich erst einmal bedingungslos unter. Er setzt alles daran, dass es seinem Narzissten gut geht. Auch wenn das bedeutet, dass er sich den Bedürfnissen des Narzissten vollkommen ausliefert und auf seine eigenen vollkommen verzichtet.
Schwierig wird es nur, weil es mit der bedingungslosen Unterordnung dann meistens doch nicht so ganz klappt. Weil nämlich der Co-Narziss insgeheim auch nach Zuwendung, Anerkennung, Aufmerksamkeit und beständiger Bestätigung seines Selbstwerts dürstet. Andernfalls fühlt er sich elend, klein und minderwertig. Und wenn der Co-Narziss leidet, ist garantiert der Narziss daran Schuld. Deswegen funktioniert es mit der Harmonie auf Dauer meistens nicht wirklich gut.