Der Narziss und das wirkliche Leben
Genau genommen ist das Leben extrem banal. Das Faszinierendste am Leben überhaupt ist seine entsetzliche Banalität. Sie erinnern sich vielleicht dunkel an Sartres Hölle in „Geschlossene Gesellschaft“? Die Geschichte beschreibt in Kürze das Dasein des Narzissten:
Es scheint, als seien die Protagonisten, drei Narzissten übrigens, auf ewig verdammt, miteinander in dieser Banalität ausharren zu müssen. Alle Türen zur Außenwelt sind verschlossen. Die Hauptdarsteller können weder voneinander lassen, noch voreinander fliehen. Ja, nicht einmal töten können sie sich, denn sie sind bereits tot. Ihre Hölle, das sind die anderen. Schließlich geht eine Tür auf. Aber sie verlassen den Raum nicht.
Warum?
Weil sie erkannt haben, dass hinter dieser Türe etwas lauert, das noch viel schlimmer ist als die Banalität ihrer Existenz.
Der Drama-Link
Das wirkliche Leben ist die Hölle. Es besteht im Prinzip aus Schlafen, Essen und Arbeiten, Essen, Schlafen und Arbeiten etc. In beliebiger Reihenfolge. Manche Menschen können sogar ganz ohne Arbeit auskommen. Echte Narzissten halten diesen paradiesischen Zustand allerdings keine drei Tage am Stück aus ohne in Depressionen zu verfallen. Daher haben sie einen kleinen, aber überaus effektiven Trick gefunden, sich die Banalität ein wenig zu versüßen. Sie haben so eine Art dramatischen Link im Kopf: Wenn das Leben allzu banal wird, biegen sie sich die Realität einfach ein wenig zurecht. Das ist fast ein bisschen wie Zaubern.
Das Leben normaler Menschen ist ja schon entsetzlich banal, aber das Leben der Narzissten ist das, was bei Sartre hinter der Türe lauert: Das namenlose Grauen. Der Narziss erreicht das innere Gleichgewicht nur, wenn sich das Gefühl "ich bin wichtig" einstellt. Doch angesichts der Banalität des wirklichen Lebens ist dieser Zustand selten von Dauer und kommt meist nur der Funktion eines Menschen oder seinem Reichtum zu, eher selten seinem Können oder seiner Persönlichkeit.