Der Narziss liebt Regeln
Aber nur solche, die er selbst erlassen hat. Und solche, die anderen ein für alle Mal klar machen, wie er von ihnen behandelt werden möchte. Regeln, die der Narziss nicht selbst gemacht hat, sind Schall und Rauch. Außer natürlich, der Narziss verspricht sich selbst einen Vorteil davon. Dann wird er nicht scheuen, sie auf der Stelle einzuklagen. Der Narziss liebt nämlich auch all jene Regeln, die ihm in irgendeiner Weise nützen.
Aufgrund seiner Gottähnlichkeit, die ja zwangsläufig aus seiner besonderen Nähe zu Gott (der, wenn es ihn nicht schon geben würde, sofort von ihm persönlich erfunden werden würde) resultiert, ist der Narziss felsenfest von seinem moralischen Anspruch überzeugt:
Er darf Regeln aufstellen und notfalls auch mit Gewalt durchsetzen. Er darf? Nein, er muss es sogar tun! Und, er - und nur er - darf andere strafen, wenn die sich nicht an diese Regeln halten.
Der Narziss ist nicht maßlos. Er fordert nur das ein, was ihm zusteht. Der Narziss ist sehr überzeugend darin, so zu tun, als habe er (oder Gott?) einen wohl begründeten Anspruch auf die Erfüllung seiner Forderungen. Von seiner hohen moralischen Warte aus betrachtet, hat er den natürlich auch. Seine Warte ist allerdings für die meisten anderen Lebewesen einfach zu hoch, um noch geistig oder sonst irgendwie erfasst zu werden. Und was gerade an Moral angesagt ist, das definiert sowieso der Narziss.
Reine Glaubenssache
Kurzum: Der Narziss setzt die Maßstäbe, an denen sich alle anderen messen lassen müssen. Zumindest für die mitunter recht kurze Lebensdauer der von ihm gesetzten Normen. In die verknoteten Gehirnwindungen eines Narzissten kann sich ohnehin beim besten Willen keiner hinein denken. Die Logik seiner Regeln ist so verquer wie er selbst. Sie erschließt sich daher auch niemandem und vor allem nicht den Normalsterblichen. Am wenigsten übrigens ihm selbst. Aber schließlich ist es für ihn auch vollkommen ausreichend, wenn alle anderen nach seiner Pfeife tanzen.